Was ist Naturkosmetik?
Bereits 1992/93 wurde unter Federführung des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) ein Vorschlag zur Definition für Naturkosmetika als Ergebnis zahlreicher Anhörungen aller an der Herstellung, Vermarktung und Nutzung von Naturkosmetik interessierten Institutionen erarbeitet.
Danach sind Naturkosmetika Erzeugnisse, die vorbehaltlich der enthaltenen Konservierungsstoffe und Emulgatoren aus Naturstoffen hergestellt sind. Naturstoffe sind hier definiert als Substanzen pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs sowie deren Gemische und Reaktionsprodukte untereinander. Für die Gewinnung und Weiterverarbeitung sind nur physikalische Verfahren, wie z. B. Trocken, Filtrieren und Extrahieren mit festgelegten Lösungsmitteln, erlaubt. Darüber hinaus sind enzymatische und mikrobiologische Verfahren zulässig, wenn nur in der Natur vorkommende Enzyme oder Mikroorganismen, die nicht auf gentechnischem Wege hergestellt sind, verwendet werden.
In diesem Vorschlag ist der Anspruch an die Natürlichkeit der Inhaltsstoffe sehr hoch, was die mögliche Produktpalette, die die Anforderungen erfüllt, stark einschränkt. Beispielweise können Sonnenschutzmittel, die nur die in Anlage VI der Kosmetik-Verordnung aufgeführten UV-Filter enthalten dürfen, nicht als Naturkosmetik hergestellt werden.
Der Europarat legte im Jahr 2000 eine Definition für Naturkosmetik vor, in der sowohl Inhaltsstoffe als auch Herstellungsmethoden und Auslobungen beschrieben werden, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu erreichen und irreführende Auslobungen zu verhindern. Auch nach dieser Definition ist ein Naturstoff, jede Substanz pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Herkunft und deren Gemische. Die Gewinnung und Verarbeitung ist mit physikalischen, mikrobiologischen oder enzymatischen Methoden zulässig und die Lösungsmittel für die Extraktion sind festgelegt. Verwendete Duftstoffe müssen dem ISO 9235 Standard entsprechen – synthetische Duftstoffe sind nicht zulässig. Einige Konservierungsstoffe sind als naturidentische Stoffe erlaubt und für Emulgatoren sind Ausgangsstoffe und Verfahren definiert.
2010 wurde vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ein Vorschlag zur Aktualisierung der Definition des BMG aus dem Jahr 1993 erarbeitet und die betroffenen Kreise wurden konsultiert. Rechtlich verbindlich ist jedoch keines dieser Dokumente.
Derzeit gibt es keine rechtsverbindliche Definition von Naturkosmetika. Das bedeutet, auch als Naturkosmetika ausgelobte Produkte müssen alle Anforderungen der europäischen Kosmetik-Gesetzgebung erfüllen, sie unterliegen also vollumfänglich dem Kosmetikrecht.
Unterschiede: Naturkosmetik – konventionelle Kosmetik
Wissenschaftlich betrachtet sind Naturkosmetik und klassische Kosmetik gleichwertig. Produkte aus beiden Segmenten müssen entsprechend den Anforderungen der gültigen Gesetzgebung formuliert werden und gleichermaßen sicher und verträglich sein – unabhängig von der „Natürlichkeit“ der verwendeten Rohstoffe. Es ist nicht möglich, in kosmetischen Produkten ausschließlich unbehandelte natürliche Inhaltsstoffe zu verwenden und wirksame, den rechtlichen Vorgaben sowie der Verbrauchererwartung entsprechende Produkte „ganz ohne Chemie“ anzubieten.
Anforderungen an Naturkosmetik
Naturkosmetische Produkte beinhalten meistens Inhaltsstoffe, die pflanzlicher, zum Teil auch mineralischer oder tierischer Herkunft sind. Sie dürfen technisch bzw. chemisch nur mit ganz bestimmten Methoden modifiziert sein und diese Modifikationen müssen so gering wie möglich sein. Hinsichtlich der verwendeten Mengen gehören Öle, Fette und Wachse, zum Beispiel Sheabutter, Mandelöl oder Bienenwachs, zu den typischen Grundsubstanzen. Aber auch Alkohol, der fermentativ erzeugt wird, findet Verwendung, z. B. in Deodorants oder Parfums. Ohne ätherische Öle, Kräuterauszüge, Blütenextrakte und natürliche Aromen kommt die Naturkosmetik nicht aus.
Natürliche und – wenn nicht anders möglich – zumindest naturnahe Substanzen werden präferiert. Bevorzugt stammen die Rohstoffe aus „kontrolliert biologischem“ Anbau oder der entsprechenden Einsammlung von Substanzen in der Naturumgebung. Einige Hersteller von Naturkosmetik weisen in ihren jeweiligen Qualitätskriterien für Produkte auf den Verzicht von Gentechnik und ionisierender Strahlung hin. Der Einsatz von Emulgatoren und Konservierungsstoffen ist aufgrund des Anspruches „Natur“ nur eingeschränkt möglich. In naturkosmetischen Produkten wird auf den Einsatz von waschaktiven Tensiden auf Erdölbasis weitestgehend verzichtet. Stattdessen finden Tenside auf pflanzlicher Basis Verwendung. Für waschaktive Substanzen hat beispielsweise Zucker als Rohstoff eine wesentliche Bedeutung.
Hinsichtlich der Rohstoffe ist zu beachten, dass diese auch in ausreichender Menge und Reinheit zur Verfügung stehen müssen. Auch sollten mögliche Probleme durch eine verstärkte gezielte Gewinnung von Stoffen „aus der Natur“ betrachtet werden.
Natürlich, naturnah, naturidentisch – Was ist Was?
Der Verbraucheranspruch an Naturkosmetikprodukte, weitestgehend aus „natürlichen Rohstoffen“ hergestellt und damit für Mensch und Umwelt in der Produktion „schonender“ zu sein, wird von den Herstellungsunternehmen ernst genommen. Bestimmte Inhaltsstoffe wie erdölbasierte Rohstoffe, Silikone und synthetische Duftstoffe sind weitestgehend ausgeschlossen.
Allerdings sind bei der Herstellung und Gewinnung von Inhaltsstoffen für Naturkosmetik auch „natürliche“ Grenzen gesetzt, denn die umfangreichen Mischungen in den Produkten, sollen ja auch ihre Wirkungen erzielen, also eben reinigen, pflegen oder schützen. Diese Leistungsmerkmale sind aber nicht in jedem Falle mit natürlichen, also unveränderten, Natursubstanzen zu erreichen.
Im Sinne der Transparenz über die Inhaltsstoffe wird deshalb unterschieden in:
- natürliche Inhaltstoffe
- naturnahe Substanzen
- naturidentische Stoffe
Bei den natürlichen Inhaltsstoffen handelt es sich tatsächlich um Rohstoffe, die der Natur entnommen werden, also gesammelt oder geerntet werden und durch physikalische Verarbeitungsverfahren (Pressung oder ähnliches) gewonnen werden.
Wenn die erforderlichen Inhaltsstoffe auf natürlicher Basis nicht zur Verfügung stehen, können naturnahe Substanzen eingesetzt werden. Dies sind Naturstoffe, die in gewissem Maße chemisch verändert werden müssen, um die gewünschte Wirkung in den Produkten zu erzielen. Für diese erforderlichen Umwandlungsprozesse gelten strenge Einschränkungen, so zum Beispiel für Tenside.
Naturidentische Stoffe dürfen nur dann verwendet werden, wenn die Stoffe nicht mit technisch vernünftigem Aufwand aus der Natur gewonnen werden können. Dies betrifft vor allem Konservierungsstoffe und Farbpigmente
Die Natur ist nicht immer ausgesprochen sanft. So können ätherische Öle und Pflanzenextrakte durchaus zu Hautreizungen oder auch allergischen Reaktionen führen. Bei manchen Produkten der Naturkosmetik kann es durch den Verzicht auf synthetische Konservierungsstoffe sogar zu einem erhöhten Keimbefall kommen.
Kennzeichnung von Naturkosmetik
Es gibt immer mehr „natürliche Kosmetik“ und für den Verbraucher ist es schwierig, zwischen naturnaher Kosmetik und Naturkosmetik zu unterscheiden. Um Naturkosmetik und konventionelle Kosmetik voneinander abzugrenzen, wurden Standards und Labels mit unterschiedlichen Anforderungen entwickelt, die die unterschiedlichen Ansprüche der Konsumenten abbilden. Die Erfüllung der Kriterien kann durch das entsprechende Siegel auf der Verpackung des Kosmetikums gekennzeichnet werden, die unterschiedliche Bedingungen erfüllen. Die gängigen Zertifizierungen setzen voraus, dass pflanzliche Rohstoffe mindestens teilweise aus ökologischem Anbau stammen. Die Siegel befinden sich auf den Verpackungen von Naturkosmetikprodukten. Produkte, die diese „Label“ nicht aufweisen, müssen nicht unbedingt im „Verdacht der Verbrauchertäuschung“ stehen, denn mancher Hersteller verzichtet auf derartige Zertifizierungsverfahren oder -prozeduren. Auch hier lohnt sich ein genauer Blick: Auf Anfrage geben Hersteller Verbrauchern notwendige Informationen zu Inhaltsstoffen, ihrer Gewinnung und Herstellung.
Die Label für Natur- und Biokosmetik sind Qualitätssiegel. Produkte, die ein solches Siegel tragen entsprechen den Regeln der jeweiligen Naturkosmetik-Zertifizierungsstellen. Es ist hier anzumerken, dass einige Produktkategorien, beispielsweise Sonnenschutzmittel oder auch dekorative Kosmetik nicht ausschließlich aus Naturstoffen hergestellt werden können – diese können nur „mit Naturstoffen“ formuliert werden.
Bekannte Siegel sind im deutschsprachigen Raum vor allem BDIH-Cosmos und NATRUE.
Der COSMOS-Standard wird von einem gemeinnützigen, internationalen und unabhängigen Verband verwaltet, dessen Gründungsmitglieder an der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Standards arbeiten. Aus Deutschland ist der Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und kosmetische Mittel e.V. (BDIH) Gründungsmitglied. Weitere Gründungsmitglieder sind COSMEBIO (Frankreich), ECOCERT Greenlife (Frankreich), ICEA (Italien) und SOIL Association (Großbritannien).
Das entsprechende Siegel wird europaweit vergeben und erhält je nach Ursprungsland den Zusatz des Landesverbandes. In Deutschland also BDIH-Cosmos. Nähere Informationen finden sich unter www.cosmos-standard.org.
Ein anderer Lizenzgeber ist NATRUE. Auch NATRUE ist eine internationale Vereinigung, die den NATRUE-Standard entwickelt hat und Siegel für Natur- und Biokosmetik vergibt.
Das Demeter-Zeichen dürfen nur kontrollierte Vertragspartner nutzen. Neben Lebensmitteln enthält das Sortiment auch Kosmetik- und Pflegeprodukte.
Ein Beispiel: Das NATRUE-Label als Naturkosmetik-Standard
Naturkosmetika sind Mischungen aus natürlichen, meistens weiterverarbeiteten Rohstoffen und müssen daher hinsichtlich ihrer Natürlichkeit anders bewertet werden als Lebensmittel, die als reine unveränderte Naturstoffe oder aus reinen unveränderten Naturstoffen angeboten werden können.
Ein Formulierer muss wissen, welche Naturstoffe unverändert eingesetzt werden können, und wo und in welchem, möglichst geringem Umfang chemische Veränderungen notwendig sind und welche Rohstoffe als naturidentische Stoffe eingesetzt werden sollten – nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik.
In den Kriterien zur Erlangung des NATRUE-Labels wird zwischen natürlichen, naturidentischen und naturnahen Stoffen unterschieden. Wasser gilt als natürlicher Stoff, wird aber bei der Ermittlung des Anteils natürlicher Stoffe im Fertigprodukt nicht berücksichtigt.
Chemisch unveränderte Naturstoffe, bevorzugt in Bioqualität, sollen im Fertigprodukt „Naturkosmetik“ dominieren.
Nur wenn eine vom Produkt erwartete Funktion (z. B. Reinigung) nicht allein mit Naturstoffen erreicht werden kann, sind naturnahe Rohstoffe erlaubt. Diese werden mit möglichst wenigen Umwandlungsschritten mit Prozessen, die ein Vorbild in Vorgängen im Organismus haben sollen, aus Naturstoffen gewonnen. Erdöl als Rohstoff ist nicht zulässig. Die Ursprungsrohstoffe sollten bevorzugt in Bioqualität eingesetzt werden. Die zulässigen naturnahen Stoffe und Prozesse sind klar geregelt.
Nach dem NATRUE-Standard kann „Naturkosmetik“ und „Biokosmetik“ zertifiziert werden. Die Anforderungen an die „Natürlichkeit“ der Produkte steigen von Naturkosmetik zu Biokosmetik und sie unterscheiden sich zwischen verschiedenen Produktkategorien. Wie der COSMOS-Standard wird auch der NATRUE-Standard ständig weiterentwickelt. Nähere Informationen finden sich unter www.natrue.org.