Experten geben Rat: Kosmetik-Tests bei Stiftung Warentest

Interview mit Dr. Holger Brackemann, Stellvertreter des Vorstandes der Stiftung Warentest

Experten geben Rat: Kosmetik-Tests bei Stiftung Warentest

Dr. Holger Brackemann studierte Chemie an der Universität Göttingen und promovierte 1989 zum Doktor der Naturwissenschaften. Danach war er in verschiedenen leitenden Funktionen im Umweltbundesamt tätig, unter anderem als Pressesprecher und in der Chemikalienbewertung. 2003 übernahm er die Leitung der Abteilung Produkttests II der Stiftung Warentest, in der Untersuchungen von Waren und Dienstleistungen aus den Bereichen Haushalt, Garten, Freizeit und Verkehr durchgeführt werden. Seit dem Jahr 2008 leitet er den Bereich Untersuchungen, in dem alle Tests der Stiftung konzipiert und durchgeführt werden. Seit Anfang 2012 ist er Stellvertreter des Vorstandes der Stiftung Warentest.

Seit 50 Jahren klärt die Stiftung Warentest Verbraucher anhand von Testreihen zu Produkten über deren Vorteile oder Nachteile auf. Sie wurde von der Bundesrepublik Deutschland als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet.
Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit diesem Service für Verbraucher genießt die Stiftung Warentest in der deutschen Bevölkerung ein großes Vertrauen. Grund genug für haut.de einmal zu Vorgehensweisen und Erfahrungen mit Tests im Bereich kosmetischer Mittel nachzufragen.

haut.de: Die Stiftung Warentest blickt auf eine 50-jährige Geschichte zurück – was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge und was macht das Vorgehen einzigartig?

Dr. Brackemann: Wir haben bei der Vielzahl der Tests, die wir in den vergangenen Jahren durchgeführt haben, unseren prüfenden Blick über geltende Gesetze und Normen hinaus auf weitere wichtige Kriterien und Produkteigenschaften gerichtet. Als Beispiele möchte ich hier den Seitenaufprallschutz bei Autokindersitzen oder die Phthalat-Belastung bei Olivenölen nennen, die aus Kunststoffen stammte. Unsere Testergebnisse haben in der Folge dafür gesorgt, dass einerseits notwendige Veränderungen der Produktanforderungen im Rahmen von Normen bzw. Standards vorgenommen wurden. Andererseits haben aber auch Verbraucher auf die von uns getesteten Eigenschaften bei der Kaufentscheidung geachtet. Auch bei den Herstellern führen unsere Testergebnisse häufig zu einem Umdenken und einer Anpassung der Produkte, die dann optimierten Anforderungen gerecht werden, welche dann häufig über die bestehenden Regelungen hinausgehen. Produktanpassungen im Markt sind daher keine Seltenheit.

haut.de: Sie machen häufig Tests zu Kosmetik. Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie Verbraucher mit den Ergebnissen umgehen?

Dr. Brackemann: Wir gehen davon aus, dass Verbraucher unsere Testergebnisse bei ihrer Kaufentscheidung für oder gegen ein Kosmetikprodukt berücksichtigen. Unsere Testergebnisse geben Orientierung, richten den Blick des Konsumenten auf Qualitätsmerkmale eines Produktes, aber im Detail haben wir keine Kenntnisse über das direkte Verbraucherverhalten, dazu ist Marktforschung erforderlich, die wir nicht als unsere Aufgabe ansehen. Wir beschäftigen uns ja primär mit objektivierten Merkmalen eines Produktes, wie z.B. mit Fragen der Wirksamkeit, der mikrobiologischen Belastbarkeit, den Inhaltsstoffen oder der Kennzeichnung. Die Zufriedenheit des Anwenders ist demgegenüber ein sehr subjektives Kriterium, das wir in der Regel nicht untersuchen.

haut.de: Wenn Sie Testreihen zu kosmetischen Produkten planen, sind dann die Hersteller der Produkte im Vorfeld informiert?

Dr. Brackemann: Nein, die Hersteller sind vor dem Einkauf der Testprodukte nicht informiert. Das könnte unsere unabhängigen Tests ja verfälschen. In unserem Kuratorium werden unsere Testvorhaben in einer allgemeineren Form erörtert. Das Kuratorium setzt sich zusammen aus sechs Verbrauchervertretern, sechs Vertretern der Wirtschaft und sechs neutralen Sachverständigen. Dieses Gremium hat eine beratende Funktion, kann Vorschläge für Untersuchungen einbringen oder auch einzelnen Untersuchungsvorhaben widersprechen.
Da wir Tests zu bestimmten Produktgruppen turnusgemäß wiederholen, zum Beispiel im Bereich Kosmetik die Sonnenschutzmittel, wissen die Hersteller vielleicht, dass es voraussichtlich einen Test geben wird, aber nicht welches Produktsegment wir uns vornehmen. Deshalb können sich Unternehmen darauf nicht vorbereiten bzw. einstellen.

haut.de: Herr Dr. Brackemann, welche grundsätzlichen Kriterien werden bei Tests zu kosmetischen Mitteln berücksichtigt; wie läuft so ein Test ab?

Dr. Brackemann: Sobald wir die Produkte eingekauft haben, wird über das konkrete Testdesign in unserem Fachbeirat beraten und über das Prüfprogramm aus Expertensicht diskutiert. Mit der Beteiligung von so genannten Stakeholdern, also Vertretern relevanter gesellschaftlicher Gruppen, wie Wissenschaft, Hersteller, Handel, Verbraucher und Behörden, haben wir außerordentlich gute Erfahrungen gemacht.
Bei den Prüfungen zu kosmetischen Mitteln schauen wir insbesondere auf Wirksamkeit bzw. den dekorativen Effekt, auf Handhabungseigenschaften, auf mikrobiologische Belastbarkeit, auf unerwünschte Stoffe und natürlich auf die Kennzeichnung und die Verpackung. Einige dieser Tests werden im Labor vorgenommen. Für andere Prüfeigenschaften werden „Probandenversuche“ durchgeführt, also Tests mit Verbrauchern. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage der „feuchtigkeitsspenden Eigenschaften“ eines Produktes, diese können je nach Hauttyp, Hautzustand und anderer individueller Bedingungen unterschiedlich ausfallen. Diese werden nach der Anwendung der Produkte unter definierten Bedingungen an den Probanden gemessen. Für diese typischen Anwendungstests wählen wir ca. 20 bis 30 Personen aus, die über unterschiedliche Merkmale hinsichtlich Empfindlichkeit, Hauttyp, Alter usw. verfügen. Darüber hinaus beziehen wir „Anwendungsexperten“ in unsere Kosmetiktests ein. Bei Haarfarben oder Shampoo zum Beispiel Friseure und Hautärzte. Durch dieses Testdesign in der Kombination von Labormessungen, Überprüfung von Fakten (Deklaration), Bewertungen durch Testpersonen und Expertenbeurteilung erhalten wir eine aussagekräftige Expertise.

haut.de: Bewertungen und Tests zu kosmetischen Produkten werden ja auch von anderen Institutionen vorgenommen. Worin unterscheidet sich die Stiftung Warentest von anderen Test-Anbietern?

Dr. Brackemann: Uns ist es wichtig, dass wir unabhängig und neutral sind. Dieser zentrale Grundsatz ist unter anderem auch daran zu erkennen, dass unsere Publikationen und Testveröffentlichungen völlig frei von Werbung der Anbieter sind.
Bei unseren Tests achten wir auf ein unumstößliches Prinzip: Alle bedeutsamen Eigenschaften eines Produktes sollen berücksichtigt werden und dabei sind vor allem Evidenzkriterien, also wissenschaftliche und fachliche Aspekte, Grundlage. Wir richten unsere Untersuchungen also nicht nur auf eine ausgewählte Eigenschaft oder einen ausgewählten Inhaltsstoff, denn das kann bei der Bewertung leicht zu einer Verzerrung des Ergebnisses führen. Bei der Beurteilung eines Produktes ist es daher aus unserer Sicht immer wichtig, das gesamte Produkt in den Fokus zu stellen und die jeweiligen Produkteigenschaften zu prüfen. Nehmen Sie z.B. ein Sonnenschutzmittel: hier ist es ganz wichtig, dass der angegebene Lichtschutzfaktor auch korrekt ist. Wenn der nicht stimmt, kann das für den Verbraucher gesundheitliche Folgen haben. Daher dürfen wir bei diesen Produkten nicht nur auf die Inhaltsstoffe schauen, sondern müssen immer auch die ausgelobte Wirkung überprüfen. Natürlich schauen wir darüber hinaus auch auf die Inhaltsstoffe.
Mit der Fülle an Konsummöglichkeiten neigen manche Verbraucher eher zu einer Vereinfachung. Diese mündet manchmal hinsichtlich bestimmter Inhaltsstoffe in der alleinigen Frage: „drin oder nicht drin?“. Diese etwas undifferenzierte Betrachtung lässt außer Acht, dass zur Bewertung von Produkteigenschaften die jeweiligen Konzentrationen der Inhaltsstoffe zu berücksichtigen sind. Erst damit kommt man der „dosisabhängigen“ Wirkung eines Produktes näher. Warnende Hinweise einiger Tester, die sich nur auf die alleinige Verwendung eines Inhaltsstoffes beziehen und dabei die tatsächlich im Produkt vorhandene Dosis bzw. Konzentration nicht betrachten, mögen zwar eine mediale Wirksamkeit erzeugen, tragen aber nicht zur sachgerechten Information des Verbrauchers bei.

haut.de: In der öffentlichen Meinung zur Körperpflege stehen immer wieder einzelne Inhaltsstoffe, wie zum Beispiel die Parabene als Konservierungsmittel, in der Kritik. Wie bewertet die Stiftung Warentest diese Diskussion?

Dr. Brackemann: Derartige Diskussionsprozesse haben eine wichtige Bedeutung. Sie initiieren häufig eine kritische Auseinandersetzung mit den tatsächlich vorliegenden Daten und Untersuchungen. Hinsichtlich der Parabene ist zunächst festzustellen, dass sie von Hautärzten als sehr gut verträglich bewertet werden. Das ist bei vielen Alternativen nicht der Fall. Die Bewertung der gesundheitlichen Risiken durch das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) und andere Experten hat gezeigt, dass die Anwendung sicher ist, wenn bestimmte Gehalte im Produkt nicht überschritten werden. An diesen Ergebnissen orientieren wir uns auch bei unseren Testvorhaben. Und schließlich hat der Verbraucher immer auch die Wahl, ein nicht konserviertes Produkt zu nutzen. Allerdings ist auch dieser Weg nicht ohne Risiko: Keime im Cremetiegel sind durchaus nicht unrealistisch. Eine entsprechende sorgsame Handhabung durch den Verbraucher ist dann also erforderlich.

Testergebnisse der Stiftung Warentest zu Gesundheit und Kosmetik:
https://www.test.de/gesundheit-kosmetik/

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: haut.de

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