Experten geben Rat: Zur Sicherheit von Kosmetik-Inhaltsstoffen

Interview mit Prof. Dr. Dr. Andreas Luch, Leiter der Abteilung "Sicherheit von verbrauchernahen Produkten" beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Experten geben Rat: Zur Sicherheit von Kosmetik-Inhaltsstoffen

„Im Mittelpunkt der Arbeit des BfR steht der Mensch als Verbraucher. Mit seiner Arbeit trägt das Institut maßgeblich dazu bei, dass Lebensmittel, Stoffe und Produkte sicherer werden. So hilft das BfR, die Gesundheit der Verbraucher zu schützen.

Die Arbeit des BfR für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zeichnet sich durch ihren wissenschaftlichen, forschungsgestützten Ansatz aus. Auf die gesundheitlichen Bewertungen und Handlungsoptionen des Instituts können die für das Risikomanagement verantwortlichen Behörden zugreifen. Die Arbeitsergebnisse und Empfehlungen des BfR dienen allen interessierten Kreisen als wichtige Entscheidungshilfe für Maßnahmen. Mit seiner wissenschaftsbasierten Risikobewertung gibt das BfR wichtige Impulse für den gesundheitlichen Verbraucherschutz innerhalb und außerhalb Deutschlands“
Quelle: http://www.bfr.bund.de/de/gesetzlicher_auftrag-7465.html

haut.de: Sicherheit von kosmetischen Mitteln ist ein elementarer Grundsatz, sowohl für die Hersteller als auch die Verbraucher. In der letzten Zeit machen in der öffentlichen Diskussion Themen wie „hormonell-wirksame Substanzen“ (endokrin wirksame Substanzen, EAS) die Runde, weil ihnen eine mögliche Gefahr bzw. Schädigung unterstellt wird. Sehen Sie in diesen Stoffen ein Risiko, auch für Schwangere und Kinder?

Prof. Luch: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme endokrin aktiver Substanzen über Lebensmittel und Umwelt und gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist bisher wissenschaftlich nicht belegt. Es besteht allerdings der Verdacht, dass diese Stoffe die Entwicklung von Kindern im Mutterleib oder in bestimmten Entwicklungsphasen wie der Pubertät beeinträchtigen könnten. Außerdem wird vermutet, dass endokrin aktive Substanzen die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Entstehung bestimmter Tumore fördern könnten. Epidemiologische Studien zeigen eine Zunahme von Tumoren in Organen, die hormonell reguliert werden, zum Beispiel von Brust- und Prostatakrebs. Die Entstehung dieser Tumore wird durch eine Reihe von Faktoren begünstigt wie Übergewicht oder Alkoholkonsum. Endokrin aktive Substanzen werden zusätzlich als ein möglicher Risikofaktor diskutiert. Diskutiert wird auch, ob endokrin aktive Substanzen an der beobachteten Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit von Männern durch Hodenhochstand oder sinkende Spermienzahl beteiligt sein könnten.
Entscheidend für die Einschätzung des gesundheitlichen Risikos ist die Exposition, also der Umfang, in dem ein Mensch mit einer endokrin wirkenden Substanz in Kontakt kommt. Die derzeit vorliegenden Daten zur Exposition gegenüber einzelnen Substanzen wie Bisphenol A oder Phthalaten ergeben keine wissenschaftlich fundierten Belege für eine Gesundheitsgefährdung, auch nicht für besonders empfindliche Verbrauchergruppen wie Kleinkinder oder Jugendliche in der Pubertät.

haut.de: In Bezug auf Inhaltsstoffe kosmetischer Mittel wird gelegentlich von einer „unkalkulierbaren Addition der Stoffexposition“ oder vom „Cocktail-Effekt“ gesprochen. Sehen Sie hier eine neue, bisher unbeachtete Gefahr?

Prof. Luch: Der Begriff „Cocktaileffekt“ ist nicht wissenschaftlich definiert. Gemeint ist häufig ein kumulativer Effekt, der auftreten könnte, wenn verschiedene kosmetische Produkte mit Inhaltsstoffen verwendet werden, denen eine ähnliche Wirkung zugeschrieben wird. Wenn diese Inhaltsstoffe eine gemeinsame chemische Struktur haben, wie z. B. die Parabene, dann ist bei der Sicherheitsbewertung, mit der unter anderem Konzentrationsbegrenzungen im Produkt festgelegt werden, dieser Effekt berücksichtigt. Außerdem werden bei der Bewertung des möglichen gesundheitlichen Risikos sehr große Sicherheitsabstände mit eingerechnet.

haut.de: Können Verbraucher heute davon ausgehen, dass kosmetische Mittel ein Höchstmaß an Sicherheit und ein Minimum an Risiko bieten? Wie ist es zum Beispiel nach Ihrer Einschätzung mit Parabenen, organischen UV-Filtern oder Diethylphthalat?

Prof. Luch: Konservierungsmittel, zu denen auch Parabene gehören, sind zulassungspflichtig. Sie dürfen in Kosmetika nur eingesetzt werden, wenn sie durch das wissenschaftliche Komitee der Europäischen Union als gesundheitlich unbedenklich bewertet worden und in der EU-Kosmetikverordnung aufgeführt sind. Das Gremium hat zuletzt im Jahr 2011 festgestellt, dass einige Parabene unbedenklich sind, wenn bestimmte Konzentrationsgrenzen eingehalten werden. Einen generellen Ersatz von Parabenen befürwortet das BfR nicht, weil diese Stoffe gut hautverträglich sind und im Gegensatz zu anderen Konservierungsmitteln ein geringes Allergierisiko bergen.
Auch UV-Filter sind zulassungspflichtig und dürfen nur nach wissenschaftlicher Bewertung durch das wissenschaftliche Komitee der Europäischen Union eingesetzt werden.
Diethyphthalat ist durch das Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS) als sicher bewertet worden. Der Stoff hat aufgrund seiner geringen Kettenlänge nur eine sehr geringe endokrine Aktivität. Erst bei Kettenlängen von 4-6 C-Atomen kann die endokrine Aktivität zum Problem werden; daher sind Phthalate wie Dibutylphthalat, Bis(2-ethylhexyl)phthalat, Bis(2-methoxyethyl)phthalat und Benzylbutylphthalat (BBP) in kosmetischen Mitteln verboten.

haut.de: In manchen Medien wird fast tagtäglich über hypothetische Risiken, die von einigen Verbraucherprodukten – oft auch kosmetischen Mitteln – ausgehen könnten, berichtet. Diese Informationen werden von Verbrauchern oft als „nachgewiesener Beleg“ für eine bestehende Gefährdung wahrgenommen. Sind diese Phänomene nach Ihrer Einschätzung dazu angetan, bei Verbrauchern eher für „Verunsicherung“ zu sorgen?

Prof. Luch: Studien des BfR haben gezeigt, dass fast ein Drittel der Bevölkerung, nämlich 29 % in Lebensmitteln eines der größten gesundheitlichen Risiken für Verbraucher vermutet; Rauchen wird nur von 19 % der Befragten als Gesundheitsrisiko genannt; Drogen, Alkohol oder Medikamente noch seltener. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass Menschen umso mehr Angst haben, je weniger sie meinen, ein Risiko durch bewusste Entscheidungen kontrollieren zu können. Auch die Wirkungen von Inhaltsstoffen in Produkten, wie zum Beispiel kosmetischen Mitteln, werden von Verbrauchern oft als unübersichtlich und schwer kontrollierbar empfunden. Deshalb ist es eine der Aufgaben des Bundesinstituts für Risikobewertung, Verbraucher besser zu informieren.

Weitere Informationen zur gesundheitlichen Bewertung kosmetischer Mittel finden Sie auf der Internetseite des BfR.

Quelle: haut.de

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