Das eigentliche olfaktorische System geht über die Nase und das andere, das nasal-trigeminale System, geht über Mund und Nase zu einem Gesichtsnerv (Nervus trigeminus). Dieser Nerv erzeugt über die Nase (nasal-trigeminal) Empfindungen wie brennend, stechend, beißend, kühlend und scharf. Über den Mund (oral-trigeminal) werden Empfindungen wie prickelnd erzeugt. Unter Riechen verstehen wir die Wahrnehmung flüchtiger, in der Luft verteilter Geruchsstoffe. Nichtflüchtige Substanzen werden hingegen in der Mundhöhle wahrgenommen. Allerdings lösen viele flüchtige Substanzen eine Riechempfindung sowohl im olfaktorischen System als auch im nasal-trigeminalen System aus, wie z. B. Senf oder Zwiebeln, aber auch Menthol.
Die Duftmoleküle
Die flüchtigen Geruchsstoffe bzw. Duftstoffmoleküle erreichen unsere Nase vorrangig beim Einatmen bzw. Riechen. Eine zweite Möglichkeit besteht indirekt über den retro-nasalen Wahrnehmungsweg der Mund-Nasen-Rachen-Verbindung. Hierbei werden die Geruchsstoffe beim Kauen freigesetzt und gelangen dann beim Schlucken und Ausatmen in den Nasen- Rachen-Raum. Interessant: Auch die Körperhaut kann riechen. Das wurde kürzlich für Sandelholz-Öl bestätigt. Möglicherweise kann auch die Zunge zu einem gewissen Grad riechen, denn auf ihr gibt es neben Geschmacks- auch Geruchsrezeptoren.
Die meisten Geruchsstoffe haben ein Molekulargewicht von <350 g/mol (molare Masse = Einheitensystem für die Stoffmenge, die Einheit ist Gramm pro Mol). Damit Riechen überhaupt stattfinden kann, müssen die Moleküle wasser- und lipidlöslich bzw. lipophil (fettfreundlich) sein, damit sie in die lipidhaltige Membran der Riechzellen eindringen bzw. durch die wässrige Schleimschicht zu den Rezeptoren in der Nase gelangen können. Für die Bindung an die Lipidmembran müssen die Moleküle zudem fettlöslich sein. Auch wenn bis heute nicht ganz geklärt ist, was ein Molekül zu einem „Duftstoff-Molekül“ macht: Es muss flüchtig oder beim Kauen freigesetzt werden sowie wasser-, lipid- und fettlöslich sein.
Die Informationsvermittlung
Der Nase ist es zu verdanken, dass der Mensch mehr als 10.000 verschiedene Gerüche unter-scheiden kann. Das beginnt damit, dass die Nase eine Riechschleimhaut besitzt, die in beiden Nasenhöhlen jeweils ca. fünf Quadratzentimeter groß ist. Hier befinden sich rund zehn Millionen Riechsinneszellen, die sich alle ein bis zwei Monate erneuern und die an dünnen Riechhärchen Geruchsrezeptoren tragen. Sie sind wie ein Anlegesteg für die Duftmoleküle. Nach passendem Kontakt des Moleküls eines Geruchsstoffs mit dem Geruchsrezeptor – das menschliche Riechorgan hat etwa um die 350 bis 400 unterschiedliche funktionstüchtige Rezeptoren, bzw. Geruchsrezeptorentypen – wird der von außen kommende chemosensorische Reiz in ein internes elektrisches Signal überführt und zunächst in das Riechhirn weitergeben. Diese Informationsvermittlung geschieht durch Nervenfasern (Axone) der Sinneszellen, die gebündelt durch das Siebbein (siebartig durchbrochener Knochen des Hirnschädels) in die Schädelhöhle zum Riechkolben (Bulbus olfactorius bzw. „olfactory bulb“) führen. Dort entsteht aus den einzelnen elektrischen Impulsen ein typisches Erregungsmuster, bzw. ein interner elektrischer „Signal-Kombinationscode“.
Das Stichwort für die Erstleistung, der Umwandlung von chemosensorischen Reizen in interne elektrische Signale aus denen dann ein Dufterkennungscode entsteht, lautet „chemoelektrische Transduktion“. Bei diesem Wunderwerk der Natur an den Riechzellen geht es, wie bei allen Zellen des Körpers, vor allem um eine primäre Funktion: Sie müssen kommunizieren, sonst können Duftstoffmoleküle nicht vom Riechkollben als Duftmuster und somit als ein spezifischer Duft (Rose) erkannt und gebildet werden und dann von höheren Gehirnregionen insbesondere des orbitofronalen Kortrex (OFC), wo dann bewusst gerochen wird und man ihn deshalb auch als „Maître des Parfums“ ansieht, weiter beurteilt werden. Der Riechkolben arbeitet somit wie ein Rechen- und Relaiszentrum, in dem eine Umschaltung der eingehenden Informationen stattfindet. Er sammelt die einzelnen elektrischen Impulse, die sogar aus 1000 verschiedenen Molekülen entstammen können, und setzt sie zusammen. Wenn nur ein Teil des Erregungsmusters ausgewertet wird, entsteht im Gehirn schon ein erster Dufteindruck. Einige Duftmoleküle geben ein charakteristisches Signal ab, bzw. wirken als Leitmolekül so stark, dass das Gehirn schon einen Hinweis auf das ganze Duftbild erhält, bevor es als komplettes Erregungsmuster entsteht. Das kann sehr schnell gehen und eine erste Dufterkennung kann bereits im Bereich von unter 500 Millisekunden erfolgen. Eine Duftunterscheidung dauert dann nicht länger als ein bis zwei Sekunden. Bei Rosen ist das Leitmolekül bzw. die Leitsubstanz für Rosenduft bspw. Geraniol. Wer Geraniol riecht, assoziiert diesen Duft in der Regel sofort mit Rosen. Obwohl der Duft einer Rose eben über 500 Einzelstoffe enthalten kann, reicht das Riechen dieses Stoffes schon zum ersten Erkennen aus.
„Duftmanager“ im Gehirn
Der piriforme Kortex ist das eigentliche Duft-Verteilersystem im Riechhirn. Es fungiert als eine Art „Duftmanager“ und sendet die jeweiligen Duftreize zu spezifischen Gehirnarealen weiter. Der piriforme Kortex, der eng mit dem zentralen Kern unseres Emotionszentrum zusammenarbeitet, verfügt über erstaunliche Fähigkeiten. Er kann nicht nur die Wirkung von Parfüm und Duft auf Bewusstsein, Stimmung und Emotion verstärken. Er kann auch dem ihm vorgelagerten, eng mit der Nase verbundenen Riechkolben vorschreiben, was und wie etwas zu riechen ist. Das kann so weit gehen, dass eine bestimmte Substanz gar nicht gerochen, an ihr nicht weitergerochen oder nur teilweise beschnüffelt wird – je nachdem, was der piriforme Kortex und sein System als wichtig empfinden. Auch entscheidet der piriforme Kortex, was, wie und wo etwas zur Geruchsweiterverarbeitung in andere Gehirnregionen gegeben wird. Dabei hat er eine sehr emotionale, oft schreckhaft riechende Verbündete: die Amygdala. Sie riecht in der Regel immer mit und tauscht sich mit dem piriformen Kortex über den Geruchseindruck aus. Das Ergebnis kann in einer Rückschleife auch dem Riechkolben gemeldet werden. Die Wirkung von Parfüm und Geruch auf Bewusstsein, Stimmung und Emotion wird so von einem interessanten Duftmanager geleitet. Mit dem piriformen Kortex haben wir eine Art kleinen Mann im Gehirn, der nicht nur sanft zuflüstert, wie mit einem Geruchsreiz umgegangen werden soll. Er kann als Duftmanager entscheiden, dass ein Geruch direkt in einer Region im Gehirn, beispielsweise in den orbitofrontalen Kortex (OFC), weitergeleitet wird. Letzterer steuert im Netzwerk Persönlichkeitsmerkmale wie Extraversion und Gewissenhaftigkeit und wird laut Erkenntnissen der Neuroparfümerie durch bestimmte Parfüms und Gerüche (z. B. frische Zitrusnoten) besonders gern stimuliert. Der piriforme Kortex hat also als Duftmanager auch Einfluss auf unsere Persönlichkeit, die er mit olfaktorischen Impulsen motiviert.
Wir riechen zweimal
Offenbar riechen wir im Gehirn das allermeiste zweimal. Zunächst erst unbewusst mit dem Emotionszentrum und dort im Besonderen mit der Amygdala. Sie trifft die Vorentscheidung, ob ihr ein Duft gefühlsmäßig zusagt oder nicht. Danach wird in höheren Gehirnregionen, wie dem orbitofrontalen Kortex (OFC), bewusst gerochen. Hier geht es unter anderem in einer eher kognitiven Entscheidung darum, ob z. B. ein Parfüm seinen Preis wert ist.
In der Forschung wird diskutiert, ob an der Amygdala vorbeigerochen werden kann. Zumindest ist es physiologisch möglich. Zwischen dem PC und dem OFC bestehen direkte neuronale Verbindungen und sogar umgekehrt, die vor allem beim „Duftneulernen“ aktiviert werden. Theoretisch wäre es daher möglich, dass wir auch ohne den emotionalen Input der Amygdala riechen können. Sicherlich ist es auch möglich, dass nur die Amygdala und ihr Netzwerk riechen, ohne dass der Dufteindruck dem OFC weitergeben wird. Das scheint besonders der Fall, wenn die Amygdala einen Duftreiz als nicht relevant empfindet. Die Amygdala und ihr Netzwerk sind eine Art emotionales Frühwarnsystem, dass aber auch auf positive Empfindungen anspricht und sie sucht.
Häufig liegen Amygdala und OFC bei der Duftentscheidung deshalb miteinander im Streit. Die Amygdala fühlt sich z. B. mit dem Parfüm wohl, der OFC jedoch signalisiert, dass man sich das Parfüm eigentlich nicht leisten kann. Raten Sie mal, wer gewinnt, wenn ein Parfüm die Amygdala wirklich fasziniert und der Kauf finanziell noch ganz knapp möglich ist. Richtig, die Amygdala! Die Vernunft kommt gegen das Gefühl wieder einmal – wie so oft im Leben – nicht an.