Zum Öffnen der Schwefelbrücken wird ein Reduktionsmittel verwendet, heute fast immer ein so genanntes „Thiol“ (Formel: –R-SH). Zum Wiederverknüpfen der Schwefelbindungen ist dann ein Oxidationsmittel notwendig, das nach der Umformung dem Haar die Stabilität zurückgibt. In den meisten Fällen ist dies Wasserstoffperoxid in sehr verdünnter Lösung. Doch was passiert genau?
Erster Schritt: Entwickeln durch Reduktion
Ein Reduktionsmittel gibt in einer chemischen Reaktion Elektronen ab und wird dabei selbst oxidiert. Reduktionsmittel entziehen anderen Stoffen oftmals den Sauerstoff, oder sie übertragen Wasserstoff. Geben sie Elektronen bzw. Wasserstoffatome an die Schwefelbindungen in Haaren ab, so werden diese gelöst. Glatte Haare können nun dauerhaft zu lockigen Haaren werden. Thiole Thiole, auch Thioalkohole genannt, sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere schwefelhaltige Seitengruppen (SH−Gruppen, „Thiolgruppen“) tragen. Sie sind Abkömmlinge des Schwefelwasserstoffs (Formel: H2S). Die Thiole geben Wasserstoffatome an die Schwefelbrücken (Cystin-Einheiten) ab, über die die Haarproteine miteinander verbunden sind. Diese werden so teilweise gelöst und die Haarstruktur lockert sich. Den Vorgang nennt man auch Entwickeln. Chemisch ist die Abgabe von Wasserstoff wie oben beschrieben eine Reduktion. Auch in der Küche begegnet man Thiolen: Als Aromastoffe finden sich Thioalkohole u. a. in Milch, Käse, Zwiebeln und Knoblauch. Und auch der Geruchsstoff, der Erd- und Campinggas zugesetzt wird, ist eine Mischung aus verschiedenen Thiolen. Der pH-Wert (Säure-Basen-Wert) der gebrauchsfertigen Lösungen (sogenannte Forming lotion) liegt je nach Art von Formulierung und Reduktionsmittel zwischen 7 und 9,5, also im basischen Bereich. Er wird mit einem Alkalisierungsmittel, meist Ammoniak (Formel: NH3) unter Zusatz eines Puffers wie Ammoniumbicarbonat, eingestellt. Gelegentlich wird auch Monoethanolamin verwendet. Ziel der Hersteller ist es, das Verhältnis von Menge an Reduktionsmittel und Alkalisierungsmittel dabei so einzustellen, dass ein möglichst optimales Ergebnis bezogen auf die Haarstruktur erreicht wird, aber Haar- und Hautschädigungen bei sachgemäßer Anwendung so weit wie möglich vermieden werden.
Zweiter Schritt: Fixieren durch Oxidation
Beim Fixieren der Dauerwelle wird aus dem Oxidationsmittel, meist Wasserstoffperoxid, Sauerstoff abgegeben. Chemisch gesehen ist ein Oxidationsmittel ein Stoff, der andere Stoffe oxidieren und dabei Elektronen aufnehmen kann. Früher haben die Chemiker nur solche Stoffe als Oxidationsmittel bezeichnet, die Sauerstoff in einer chemischen Reaktion abgeben. Heute bezeichnen sie allgemein die Abgabe von Elektronen durch beliebige chemische Elemente als Oxidation. Bei einer Dauerwelle entzieht der Sauerstoff aus dem Fixiermittel den Schwefelatomen der geöffneten Brücken die zuvor aus dem Reduktionsmittel aufgenommenen Elektronen bzw. Wasserstoffatome wieder und verbindet sich mit ihnen zu Wasser. Die Schwefelatome verbinden sich zu neuen Doppelschwefelbrücken, das Haar wird so in seiner neuen Form stabilisiert.
Das Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid (Formel: H2O2) ist eine farblose bis blassblaue, fast geruchlose Flüssigkeit, die aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Seine Konsistenz ist etwas dickflüssiger (viskoser) als die von Wasser. Diese schwache Säure wirkt gegenüber den meisten Stoffen als sehr starkes Oxidationsmittel. Es nimmt Elektronen und Wasserstoff auf und ist leicht brennbar. Beim Einatmen und Verschlucken ist es gesundheitsschädlich.
Durch das Aufweichen und Aufwickeln wurden die Molekülketten der Haare gegeneinander verschoben. Nun muss das Haar in seiner neuen, durch die Wickler vorgegebenen Form, gefestigt werden. Das geschieht mit Hilfe eines wasserstoffperoxidhaltigen Fixiermittels, das die Schwefelbindungen neu verknüpft. Neben Wasserstoffperoxid (Formel: H2O2) enthält das Fixiermittel Säuren, z. B. Zitronensäure, die das basische Milieu am Haar neutralisieren und die offenen Salzbindungen schließen, sowie Pflegestoffe, die das Haar glätten und die Haltbarkeit der Dauerwelle unterstützen sollen. Wasserstoffperoxid kann das Haarpigment angreifen und so das Haar aufhellen. Die Fixierung wird als Schaum oder Flüssigkeit auf das sorgfältig mit Wasser gespülte, von der Thioglykollösung befreite und abgetrocknete aber noch gewickelte Haar aufgetragen. Das Lösen der Wickler erfolgt erst nach kurzer Einwirkzeit. Anschließend werden die Haare mit der restlichen Fixierung leicht durchmassiert und danach gründlich ausgespült. Zum Schluss können die Locken noch mit einem pflegenden Präparat behandelt werden. Jetzt kann das Styling beginnen! Wenn die Einwirkzeit oder die Temperatur falsch gewählt, oder die Haare nicht gründlich genug ausgespült werden, kann es auch zu Misserfolgen bei der Dauerwelle kommen. Mit der Zeit verlieren die Locken auch etwas an Spannkraft, da sie unter einer innerlichen Spannung stehen. Durch häufiges Haarewaschen, Kämmen und Bürsten gehen die Haare langsam wieder in die ursprüngliche ungelockte Form zurück. Da bei jeder Dauerwelle einige Doppelschwefelbrücken nicht mehr geschlossen werden, verliert das Haar bei zu häufigen Umformungen an Stabilität.
Kurz gesagt: Für eine Dauerwelle sind mindestens zwei chemische Prozesse notwendig: die Reduktion zum Erweichen des Haares und die Oxidation zur Fixierung des Ergebnisses. Der Vorgang der dauerhaften Umformung der Haare beruht auf der Trennung der bestehenden chemischen Bindungen und der anschließenden Wiederherstellung in der neuen gewünschten Form, die durch den Wickler vorgegeben wird. Vor der Dauerwell-Behandlung muss das Haar mit einem Shampoo von Schmutz, Talg und anderen Verunreinigungen befreit werden. Nur dann kann das Dauerwell-Mittel an alle Stellen des Haares vordringen.