Locken nach Belieben
Gelocktes Haar gilt schon seit der Antike als Schönheitsideal. Sanfte Locken verkörpern Schönheit, aber auch Erotik, Zärtlichkeit und Verführung. So ist es nicht erstaunlich, dass sich über die Jahre immer bessere Methoden entwickelten, um dem Wunsch nach Locken gerecht zu werden. Am Anfang stand die Wasserwelle, anschließend fanden erfindungsreiche Friseure Wellverfahren, die zu länger haltbaren Wellen führten. Allerdings musste man zu heißen Welleisen, Dampf und speziellen Lösungen greifen. Das erzielte Ergebnis war nicht von langer Dauer, das Haar litt und die Prozedur lief nicht immer angenehm ab. Erst die Entwicklung chemischer Wellmittel und neuer Wickeltechniken erfüllte den Traum von der Lockenpracht auf kosmetische und zugleich recht bequeme Weise.
Heute steht eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte zur Verfügung, die die verschiedensten Möglichkeiten der Haarumformung bieten. Je nach Frisurenwunsch, Haarbeschaffenheit und einer eventuellen chemischen Vorbehandlung wird die geeignete Dauerwellmethode ausgewählt. So lassen sich – beim Friseur oder auch zu Hause – Einlegefrisuren, luftgetrocknete und Föhnfrisuren mit leichten, gepflegten Wellen bis hin zu kraftvollen Locken kreieren.
So funktioniert die Dauerwelle
Haare bestehen aus Aminosäuren, die in kettenförmigen Molekülsträngen angeordnet sind. Diese Proteinketten enthalten relativ viele Bausteine des schwefelhaltigen Cystein, das über eine Schwefelbrücke mit dem Cystein des Nachbarstrangs verbunden ist. Es entsteht eine dreidimensionale, sehr stabile, vernetzte Struktur, die dem Haar eine hohe Stabilität verleiht. Will man das Haar dauerhaft in eine neue Form bringen, so muss man diese Struktur „aufweichen“, das Haar umformen und dann wieder „aushärten“. Das geschieht, indem die Schwefelbrücken zunächst gelöst und nach der Umformung, beispielsweise durch das Aufdrehen auf Wickler, wieder neu geknüpft werden.
Aminosäuren sind organische Verbindungen, die als Grundbausteine für jedes Eiweißmolekül (Protein) dienen. Der Chemiker charakterisiert Aminosäuren durch das Vorhandensein von mindestens einer Carboxygruppe (Formel: –COOH, auch Carboxylgruppe) und einer Aminogruppe (Formel: –NH2). Von den etwa 270 bekannten, natürlich vorkommenden Aminosäuren kommen nur 22 als Bausteine in Proteinen vor. Cystein ist eine dieser sogenanntenα-Aminosäuren in Proteinen und sie hat eine Besonderheit. Sie enthält Schwefel in der Seitenkette (Formel: –CH2–SH). Zwei Cystein-Bausteine können sich über eine Schwefelbrücke zu einem stabilen Doppelmolekül namens Cystin verbinden. In Haaren gibt es viele solcher Schwefelbrücken. Sie haben die Aufgabe, die Haarstruktur stabil zu machen. Durch das Öffnen dieser auch als Disulfidbrücken bezeichneten chemischen Bindungen wird die natürliche Proteinstruktur des Haares verändert und das Haar verformbar gemacht. Es nimmt die Form des Wicklers an.
Um eine dauerhafte Umformung des Haares zu erzielen, müssen die Ionen- (Salz-), Wasserstoffbrücken- und insbesondere 20 bis 40 Prozent der Schwefelbindungen geöffnet werden. Die erste Komponente einer Dauerwelle, die „Forming Lotion“ enthält daher das Reduktionsmittel. Hauptwirkstoffe einer Dauerwell-Lotion sind die Salze der Thioglykolsäure (TGA) und daneben die der Thiomilchsäure. In geringerem Umfang werden auch Cystein (schwefelhaltige Aminosäure) und Sulfit verwendet.
Wasser als Weichmacher – das Prinzip der Wasserwelle
Auch Wasser allein wirkt bereits als Weichmacher. Wasser ist aber nicht in der Lage, „echte“ chemische Bindungen wie die Schwefelbrücken zwischen Molekülen der Proteinstränge zu öffnen. Die Struktur von Proteinen und damit auch von Haaren wird jedoch noch durch weitere Arten von Bindungen stabilisiert, die allerdings nicht so fest sind wie die Disulfidbrücken: Dabei handelt es sich um Wasserstoffbrückenbindungen, hydrophobe und ionische (Salz-) Bindungen sowie Van-der-Waals-Kräfte. Die relativ schwachen Salz- und die Wasserstoffbrückenbindungen können schon durch reines Wasser gespalten werden. Darauf beruht das Prinzip der Wasserwelle. Eine solche, nur durch Wasser erzielte Umformung geht allerdings durch Feuchtigkeit wieder verloren. Das kann schon bei hoher Luftfeuchtigkeit der Fall sein. Soll eine Umformung dauerhafte sein, muss ein Bindungstyp geöffnet und wieder geschlossen werden, der durch Wasser allein nicht verändert wird. Hier bieten sich die Schwefelbrücken an, die sich selektiv öffnen lassen, ohne die übrige Haarstruktur wesentlich zu verändern.
Dauerhafte Umformung – das Prinzip der Dauerwelle
Zum Öffnen der Schwefelbrücken wird ein Reduktionsmittel verwendet, heute fast immer ein so genanntes „Thiol“ (Formel: –R-SH). Zum Wiederverknüpfen der Schwefelbindungen ist dann ein Oxidationsmittel notwendig, das nach der Umformung dem Haar die Stabilität zurückgibt. In den meisten Fällen ist dies Wasserstoffperoxid in sehr verdünnter Lösung. Doch was passiert genau?
Erster Schritt: Entwickeln durch Reduktion
Ein Reduktionsmittel gibt in einer chemischen Reaktion Elektronen ab und wird dabei selbst oxidiert. Reduktionsmittel entziehen anderen Stoffen oftmals den Sauerstoff, oder sie übertragen Wasserstoff. Geben sie Elektronen bzw. Wasserstoffatome an die Schwefelbindungen in Haaren ab, so werden diese gelöst. Glatte Haare können nun dauerhaft zu lockigen Haaren werden. Thiole Thiole, auch Thioalkohole genannt, sind organische Verbindungen, die eine oder mehrere schwefelhaltige Seitengruppen (SH−Gruppen, „Thiolgruppen“) tragen. Sie sind Abkömmlinge des Schwefelwasserstoffs (Formel: H2S). Die Thiole geben Wasserstoffatome an die Schwefelbrücken (Cystin-Einheiten) ab, über die die Haarproteine miteinander verbunden sind. Diese werden so teilweise gelöst und die Haarstruktur lockert sich. Den Vorgang nennt man auch Entwickeln. Chemisch ist die Abgabe von Wasserstoff wie oben beschrieben eine Reduktion. Auch in der Küche begegnet man Thiolen: Als Aromastoffe finden sich Thioalkohole u. a. in Milch, Käse, Zwiebeln und Knoblauch. Und auch der Geruchsstoff, der Erd- und Campinggas zugesetzt wird, ist eine Mischung aus verschiedenen Thiolen. Der pH-Wert (Säure-Basen-Wert) der gebrauchsfertigen Lösungen (sogenannte Forming lotion) liegt je nach Art von Formulierung und Reduktionsmittel zwischen 7 und 9,5, also im basischen Bereich. Er wird mit einem Alkalisierungsmittel, meist Ammoniak (Formel: NH3) unter Zusatz eines Puffers wie Ammoniumbicarbonat, eingestellt. Gelegentlich wird auch Monoethanolamin verwendet. Ziel der Hersteller ist es, das Verhältnis von Menge an Reduktionsmittel und Alkalisierungsmittel dabei so einzustellen, dass ein möglichst optimales Ergebnis bezogen auf die Haarstruktur erreicht wird, aber Haar- und Hautschädigungen bei sachgemäßer Anwendung so weit wie möglich vermieden werden.
Zweiter Schritt: Fixieren durch Oxidation
Beim Fixieren der Dauerwelle wird aus dem Oxidationsmittel, meist Wasserstoffperoxid, Sauerstoff abgegeben. Chemisch gesehen ist ein Oxidationsmittel ein Stoff, der andere Stoffe oxidieren und dabei Elektronen aufnehmen kann. Früher haben die Chemiker nur solche Stoffe als Oxidationsmittel bezeichnet, die Sauerstoff in einer chemischen Reaktion abgeben. Heute bezeichnen sie allgemein die Abgabe von Elektronen durch beliebige chemische Elemente als Oxidation. Bei einer Dauerwelle entzieht der Sauerstoff aus dem Fixiermittel den Schwefelatomen der geöffneten Brücken die zuvor aus dem Reduktionsmittel aufgenommenen Elektronen bzw. Wasserstoffatome wieder und verbindet sich mit ihnen zu Wasser. Die Schwefelatome verbinden sich zu neuen Doppelschwefelbrücken, das Haar wird so in seiner neuen Form stabilisiert.
Das Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid (Formel: H2O2) ist eine farblose bis blassblaue, fast geruchlose Flüssigkeit, die aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff besteht. Seine Konsistenz ist etwas dickflüssiger (viskoser) als die von Wasser. Diese schwache Säure wirkt gegenüber den meisten Stoffen als sehr starkes Oxidationsmittel. Es nimmt Elektronen und Wasserstoff auf und ist leicht brennbar. Beim Einatmen und Verschlucken ist es gesundheitsschädlich.
Durch das Aufweichen und Aufwickeln wurden die Molekülketten der Haare gegeneinander verschoben. Nun muss das Haar in seiner neuen, durch die Wickler vorgegebenen Form, gefestigt werden. Das geschieht mit Hilfe eines wasserstoffperoxidhaltigen Fixiermittels, das die Schwefelbindungen neu verknüpft. Neben Wasserstoffperoxid (Formel: H2O2) enthält das Fixiermittel Säuren, z. B. Zitronensäure, die das basische Milieu am Haar neutralisieren und die offenen Salzbindungen schließen, sowie Pflegestoffe, die das Haar glätten und die Haltbarkeit der Dauerwelle unterstützen sollen. Wasserstoffperoxid kann das Haarpigment angreifen und so das Haar aufhellen. Die Fixierung wird als Schaum oder Flüssigkeit auf das sorgfältig mit Wasser gespülte, von der Thioglykollösung befreite und abgetrocknete aber noch gewickelte Haar aufgetragen. Das Lösen der Wickler erfolgt erst nach kurzer Einwirkzeit. Anschließend werden die Haare mit der restlichen Fixierung leicht durchmassiert und danach gründlich ausgespült. Zum Schluss können die Locken noch mit einem pflegenden Präparat behandelt werden. Jetzt kann das Styling beginnen! Wenn die Einwirkzeit oder die Temperatur falsch gewählt, oder die Haare nicht gründlich genug ausgespült werden, kann es auch zu Misserfolgen bei der Dauerwelle kommen. Mit der Zeit verlieren die Locken auch etwas an Spannkraft, da sie unter einer innerlichen Spannung stehen. Durch häufiges Haarewaschen, Kämmen und Bürsten gehen die Haare langsam wieder in die ursprüngliche ungelockte Form zurück. Da bei jeder Dauerwelle einige Doppelschwefelbrücken nicht mehr geschlossen werden, verliert das Haar bei zu häufigen Umformungen an Stabilität.
Kurz gesagt: Für eine Dauerwelle sind mindestens zwei chemische Prozesse notwendig: die Reduktion zum Erweichen des Haares und die Oxidation zur Fixierung des Ergebnisses. Der Vorgang der dauerhaften Umformung der Haare beruht auf der Trennung der bestehenden chemischen Bindungen und der anschließenden Wiederherstellung in der neuen gewünschten Form, die durch den Wickler vorgegeben wird. Vor der Dauerwell-Behandlung muss das Haar mit einem Shampoo von Schmutz, Talg und anderen Verunreinigungen befreit werden. Nur dann kann das Dauerwell-Mittel an alle Stellen des Haares vordringen.
Weitere Inhaltsstoffe und Einwirkzeit der Dauerwell-Lotion
Weitere Bestandteile der Dauerwell-Lotion sind Wasser als Quell- und als Lösungsmittel für alle Inhaltsstoffe sowie Netzmittel, die die Oberflächenspannung reduzieren und damit ein gleichmäßiges Benetzen der Haare und das Eindringen der wellwirksamen Stoffe unterstützen. Ferner Emulgatoren und Lösungsvermittler, die zur Lösung und Stabilisierung schwer wasserlöslicher Stoffe wie Fette, Öle und Wachse in der Lotion beitragen. Proteine und Polymere sollen mit ihrer pflegenden Wirkung einen Substanzverlust des Haares während der Einwirkzeit ausgleichen und Parfümöle sorgen für eine Überdeckung des unangenehmen Geruchs der Dauerwell-Lotion, der durch die Thiole verursacht wird.
Während der Einwirkzeit dringt die Dauerwell-Lotion immer tiefer in das Haar ein und trennt die chemischen Bindungen. Dabei ist es wichtig, die Gebrauchsanweisung genau zu befolgen. Bei einer zu kurzen Einwirkzeit werden nicht genügend Schwefelbindungen in den Haaren geöffnet. Das Wellergebnis ist schwach, das Haar wird nur an der Oberfläche und nicht dauerhaft umgeformt. Bei einer zu langen Einwirkzeit dagegen werden zu viele Schwefelbindungen geöffnet und damit auch ein Teil der Haarsubstanz aufgelöst. Dadurch wird das Haar zu stark beansprucht und verliert seine Elastizität, es ist „überkraust“.
Die Umformung
Das Wellergebnis wird von vielen Faktoren beeinflusst. Neben der Einwirkzeit und der Konzentration der Dauerwell-Lotion sind die jeweilige Haarqualität und eine eventuelle chemische Vorbehandlung von großer Bedeutung. Unterschiedliche Haarqualitäten reichen von schwer wellbarem und kräftigem Naturhaar über normales oder feines Haar bis hin zum porösen, oxidativ gefärbten Haar. Im Nacken sind die Haare gesünder als im Oberkopfbereich, sie lassen sich dort schwerer wellen.
Die Intensität der Umformung hängt auch von der Art und von der Menge der verwendeten Wickler ab. Entscheidend für die Wahl der Durchmessergröße und die Anzahl der Wickler (bis zu 60 Stück) ist die gewünschte Frisur. Dünne Wickler werden für eine kleinlockige Frisur mit engbogiger Wellung gewählt, während dicke Wickler eine weitbogige Wellung mit großzügigen Locken ergeben. Grundsätzlich gilt, dass die Haltbarkeit der Dauerwelle mit der Engbogigkeit der Wellen steigt. Auch Haarstärke und -länge sind für das Ergebnis von Bedeutung.
Die Haare werden wie Nähgarn um eine Spule auf die Spezialwickler gedreht. Ein Umknicken lässt sich mit Spitzenpapier verhindern. Anschließend wird das aufgewickelte Haar mit der Dauerwellflüssigkeit benetzt. Anhand eines Probewicklers kann man kontrollieren, inwieweit das Haar die Form des Wicklers angenommen hat. Wärme unterstützt die Wirkung des Wellmittels und verkürzt die Einwirkzeit. Ist die gewünschte Welle erreicht, wird die Dauerwell-Lotion aus dem noch immer gewickelten Haar sorgfältig ausgespült.
Dauerwellenpräparate
Kaltwellpräparate
Im Handel werden alkalische, mildalkalische, neutrale sowie Dauerwellpräparate mit veränderlichem pH-Wert angeboten. Sie stehen in flüssiger oder cremiger Form, als Schaum- oder 2-Phasen-Präparate zur Verfügung. Alle diese Dauerwell-Systeme zählen zu den sogenannten Kaltwellpräparaten. Durch Zusatz von Wärme kann die Einwirkzeit verringert werden.
Die traditionelle Form der Kaltwellen sind alkalische Dauerwellpräparate auf Basis von Thioglykolat und Ammoniak als Alkalisierungsmittel. Bei einem pH-Wert von 9,0 bis 9,5 verfügen sie über eine sehr gute Wellwirkung, auch bei sehr festem und schwer wellbarem Haar. Sie eignen sich außerdem für eine besonders starke Krause. Der hohe Ammoniakgehalt kann jedoch zu Geruchsbelästigungen und gereizter Haut führen. Diese stark basischen Wellmittel werden daher heute nur noch wenig verwendet.
Mildalkalische Dauerwellpräparate haben einen niedrigeren pH-Wert von ca. 7,5 bis 9,0; reines Wasser hat den neutralen pH-Wert von 7,0. Sie unterscheiden sich durch den Gehalt an Ammoniumcarbonat bzw. Ammoniumbicarbonat von den alkalischen Wellmitteln. Die Geruchsbildung wird so gemildert, der pH-Wert auf niedrigerem, schwach basischem Niveau stabilisiert und das Auftreten von Hautreizungen und Haarschädigungen reduziert. Die Mehrzahl der WeIlmittel liegt heute im pH-Bereich von 8-8,5.
Neutrale Dauerwellpräparate werden vor allem bei teilweise geschädigtem Haar eingesetzt. Ihr pH-Wert beträgt etwa 7,0 bis 7,5. Wegen der deutlich abgeschwächten Haarquellung und der geringen Reaktivität müssen den Präparaten jedoch so genannte „Wellbooster“ (Verstärker) zugeführt werden. Ein höherer Gehalt an Reduktionsmitteln, eine etwas längere Einwirkungszeit oder der Gebrauch von Wärme können ebenfalls erforderlich sein. Neutrale Dauerwellpräparate haben einige Vorteile: Ihr pH-Wert ist für Haut und Haar verträglicher und bei Feuchtigkeit schlägt die Krause weniger durch. Zudem bleibt das Haar relativ gut kämmbar und die Gefahr der Überkrausung ist geringer. Da sich der Verformungsvorgang im pH-neutralen Bereich vollzieht, erfolgt die Umformung des Haares strukturschonender. Dies ist besonders wichtig bei Haaren, deren Spitzen schon stark porös sind und bei denen schon mehrere chemische Behandlungen wie Haarfärbung oder Blondierung durchgeführt wurden. Der Grad der Umformung ist bei neutralen Wellmitteln in der Regel etwas geringer als bei mild-basisch eingestellten Wellflüssigkeiten. Aus Gründen der Stabilität sind die Neutralwellen in 2-Komponenten-Verpackungen auf dem Markt.
Bei Dauerwellpräparaten mit veränderlichem pH-Wert ist das Wellmittel zunächst im leicht sauren bis neutralen Bereich eingestellt. Durch die nachträgliche Zugabe basischer Substanzen oder mit Hilfe von Enzymen (Urease) sorgt man anschließend dafür, dass der pH-Wert langsam bis auf 8,5 ansteigt. Die Urease zersetzt den enthaltenen Harnstoff, so dass innerhalb von Minuten nach und nach alkalisch wirkendes Ammoniak freigesetzt wird. Der pH-Wert des DauerweIlmittels steigt langsam an und der Welleffekt verstärkt sich mit der Zeit. Der gewünschte pH-Wert kann über die Menge des zugegebenen Enzyms je nach Haarbeschaffenheit individuell gesteuert werden. Wärme beschleunigt die Entwicklung von Ammoniak und verstärkt damit die Wirkung. Wellmittel mit veränderlichem pH-Wert versprechen eine bessere Schonung der Haarstruktur. Alle thermogesteuerten Wellmittel machen sich eine beschleunigende Wirkung von Wärme auf den Wellvorgang zunutze. Die Wärme kann entweder von außen durch eine Trockenhaube oder Wickel, die sich erwärmen lassen, zugeführt werden. Oder aber das Dauerwellmittel selbst wird vor dem Auftragen erwärmt oder es erwärmt sich nach der Zugabe von bestimmten Chemikalien (Oxidationsmitteln) von selbst. Die Konzentration an Reduktionsmittel ist in all diesen Mitteln geringer, so dass auch hier ein haarschonenderes Wellergebnis zu erwarten ist.
Schaumdauerwellen und 2-Phasen-Präparate
Die Rezepturen von Schaumdauerwellen entsprechen im Großen und Ganzen denen flüssiger Dauerwellpräparate. Auch hier reicht das Spektrum von alkalischen bis neutralen Präparaten. Ihre schaumige Konsistenz erleichtert die Applikation, also das Aufbringen aufs Haar. Sie wird mit Hilfe eines Tensids und durch den Zusatz von Treibmitteln oder das Aufschäumen mit Luft erzielt. Mit einem Hand-Applikator wird dabei mechanisch Luft in die Wellflüssigkeit eingepumpt. Vorteilhaft für die Kundin: Der Schaum zerfällt nur langsam, so wird das unangenehme Ablaufen des WeIlmittels gebremst, ein Kältegefühl vermieden und stattdessen ein angenehmes Hautgefühl vermittelt. Außerdem kommen die empfindlichen Spitzen nicht so lange in Kontakt mit dem Präparat wie der Ansatz. Der Friseurin erleichtert der Schaum das Auftragen auch insofern, als bereits behandelte Wickler sehr gut zu erkennen sind.
2-Phasen-Präparate werden angewandt, um eine besonders gleichmäßige und schonende Umformung der Haare zu erzielen. Die flüssige Phase 1 enthält eine reduktionsmittel- bzw. alkaliarme Lösung zum Vorfeuchten. Die konsistente Phase 2 ist eine Creme oder ein Gel und wird am Haaransatz aufgebracht. Phase 2 hat einen deutlich höheren Alkali- und Reduktionsmittelgehalt. Auf diese Weise wird das strapazierte Spitzenhaar nicht mit der gleichstarken Dauerwell-Lotion wie das Ansatzhaar behandelt und kann so ein wenig geschont werden. Auch die unterschiedliche Beschaffenheit der Wellmittel trägt dazu bei, dass das creme- oder gelförmige Präparat beim Nachfeuchten nicht mehr ganz bis zu den Spitzen durchdringen kann, so dass diese vor dem intensiveren Wellungsvorgang geschützt bleiben.
Ansatz- und Volumenwelle
Neben der kompletten Dauerwelle ist auch eine teilweise Wellenbehandlung möglich. Die so genannte Ansatzwelle sorgt weniger für Locken als vielmehr für Volumen. Bei dieser Wellenart wird lediglich das Haar am Ansatz gewellt. Föhnfrisuren erhalten so mehr Schwung und Halt und fallen nicht so schnell in sich zusammen. Auch bei einer herausgewachsenen Dauerwelle kann mit einer Ansatzwelle der Haaransatz nachbehandelt werden, wenn das restliche Haar noch ausreichend gewellt ist. Bei der flüssigen Ansatzwelle werden die Haarspitzen mit einer Creme oder Spezialfolie geschützt, damit sich die Dauerwell-Lotion nicht weiter verteilen kann als vorgesehen. Die cremeförmige Dauerwelle wirkt dagegen nur direkt am Haaransatz und schont so die Haarspitzen.
Sollen ganze Unterpartien der Frisur stärker geformt werden als das Deckhaar, ist die Volumenwelle das Mittel der Wahl. Diese Umformung eignet sich besonders für Frisuren, die mehr Fülle und Volumen benötigen. Langes Haar lässt sich so leicht in eine attraktive Löwenmähne verwandeln.
Für alle Typen von Dauerwellen gilt, dass bei allen Arbeiten mit Dauerwellmitteln und Fixierungen Handschuhe getragen werden sollten. Außerdem sind die ausführlichen Warnhinweise und die Gebrauchsanleitungen zu beachten.
In den Achtzigern war die so genannte saure Dauerwelle sehr beliebt. Sie ist seit 1994 verboten. Gegenüber dem Inhaltsstoff Glycerolmonothioglykolat (GMTG) waren Sensibilisierungen, also Allergien, beobachtet worden. Allergische Reaktionen traten auch gegenüber einer weiteren Substanz namens Pyrogallol auf. Der Einsatz dieses Stoffes ist bereits seit 1993 in Wellmitteln verboten.
Spezialprodukte
Dauerwell-Vorbehandlungsmittel: Ist das Haar durch Umwelteinflüsse oder frühere chemische Behandlungen, wie z. B. Färben oder Blondieren, stark strapaziert und nicht einheitlich beschaffen, ist eine vorhergehende Behandlung notwendig, um Haarbruch zu vermeiden. Spezielle Vorbehandlungsmittel werden vor der Dauerwelle in das gewaschene, handtuchtrockene Haar gegeben. Auf diese Weise sollen Strukturunterschiede ausgeglichen und das geschädigte Haar soweit stabilisiert werden, dass es einer erfolgreichen Wellbehandlung wieder zugänglich wird.
Dauerwell-Zwischenbehandlungsmittel
Nach dem Reduktionsprozess ist das Haar – je nach Vorschädigung – mehr oder weniger stark gequollen (bis zu 100 Prozent), in der Länge schrumpft es dabei etwas. Eine Wiederverknüpfung der Schwefelbindungen in stark gequollenem Zustand ist jedoch nur unzureichend. Durch die Anwendung einer Zwischenbehandlung wird das Haar wieder „entquollen“, das verbessert die Haltbarkeit der Dauerwelle wesentlich, insbesondere in stark geschädigten Bereichen.
Dauerwell-Nachbehandlungsmittel
Nachbehandlungsmittel sollen die Schuppenschicht des Haares stabilisieren und härten. Dafür sorgen kationische Polymere und Proteine in Kombination mit organischen Säuren. Auf diese Weise lässt sich auch ein unerwünschter Nebeneffekt verhindern: die „schleichende Oxidation“, hervorgerufen durch Fixierlösungsreste. Das Lockenbild wird dadurch schöner, Sprungkraft und Haltbarkeit der Dauerwelle können wesentlich verbessert werden.
Shampoos und Haarkuren
Durch zu häufige oder unsachgemäße Dauerwellbehandlungen kann das Haar sehr strapaziert werden. Es ist dann glanzlos, rau, strohig und im nassen Zustand nur schwer kämmbar. Auf die besonderen Bedürfnisse von dauergewelltem Haar ist eine Reihe von Spezialprodukten zugeschnitten. Shampoos für geschädigtes Haar enthalten milde und schonende Tensidmischungen, hohe Anteile an Strukturverbesserern sowie häufig Proteine und Panthenol. Auch spezielle Haarkuren zur Pflege von stark strapaziertem Haar sowie Intensivkuren, meist in Cremeform, mit hohen Anteilen an Pflegemitteln können für strapaziertes Haar hilfreich sein.