Auswaschbare Haarfarben (Level 1)
Die mit diesen Produkten erzielte Farbveränderung ist nicht dauerhaft, die Farbstoffe waschen sich nach sechs bis acht Haarwäschen wieder heraus. Da die Farbe nicht in den Cortex, also das Innere des Haares, eindringen kann, lagern sich die Farbstoffe nur außen an der Cuticula, der äußeren Schuppenschicht, an. Üblicherweise werden diese Produkte als Tönungen (Level 1) bezeichnet. Der neue Farbton ergibt sich durch Kombination mit der natürlichen Haarfarbe. Benutzt man dabei dunklere Nuancen als die Naturfarbe, wird der Haarton insgesamt tiefer. Bei Farbstoffen der gleichen Helligkeitsstufe wird der Grundton kaum verändert, es entstehen lediglich farbigere Reflexe. So lassen sich zum Beispiel ergraute Haare mit einem Goldschimmer, Rottönen oder mit silbrigen Nuancen beleben. Graue Haare lassen sich bei geringem Weißanteil kaschieren oder von einem Gelbstich befreien. Eine Aufhellung der natürlichen Haarfarbe ist mit diesen Produkten nicht möglich. Hellere Farbnuancen im Vergleich zur Ausgangshaarfarbe kann man mit Tönungen also nicht erzielen.
Aufgrund der fehlenden chemischen Reaktion wird die Haarstruktur kaum verändert; die Farbveränderung ist reversibel. Da sich die Farbe wieder herauswäscht, sind Ansatzbehandlungen nicht notwendig. Andererseits lassen sich jedoch weiße Haare nur wenig abdecken und Aufhellungen gelingen nicht.
Anforderungen, die an die Haarfarbstoffe in den Tönungen gestellt werden: Um Färbungen in der gewünschten Intensität zu erzielen, muss eine ausreichende Wasserlöslichkeit gegeben sein. Andererseits dürfen die Farbstoffe bei der Nachbehandlung oder bei der Haarwäsche nicht zu leicht wieder ausgewaschen werden. Darüber hinaus wird für die erzielten Haarfärbungen eine gute Licht-, Säure- und Reibechtheit gefordert.
Man erkennt diesen Colorationstyp auch daran, dass die Packung ein gebrauchsfertiges Produkt enthält, das ohne Mischen direkt auf das Haar aufgetragen werden kann.
Farbstoffe in Tönungen: Direktzieher
Die eingesetzten Farbstoffe in Tönungen, die so genannten Direktzieher, haben eine hohe Affinität zum Keratin, das heißt, sie haben ein starkes Bestreben mit dem Keratin Wechselwirkungen einzugehen. Häufig sind es kationische (basische) Farbstoffe, die durch ihre positive Ladung wie kleine Magneten an der negativ geladenen Haaroberfläche festgehalten werden. Haartönungen basieren also auf einer physikalischen Anhaftung eines Farbstoffes an der Haaroberfläche. Die Farbstoffmoleküle werden an der äußeren Schuppenschicht (Cuticula) der Haaroberfläche salzartig, das heißt durch Ionenbindungen (kleine elektrische Ladungen), verankert und können allenfalls oberflächlich in den Haarschaft eindringen. Je poröser das Haar ist, umso intensiver legt sich die Farbe an dieser Stelle an und kann so weiter in den Cortex, also zu Keratinfaserbündeln (Hornfäden) im Inneren des Haares, vordringen.
Keratine sind wasserunlösliche Faserproteine, sie bilden den Hauptbestandteil von Haaren und Nägeln. Haarkeratin besteht aus Aminosäureketten, die wie lange Sprungfedern zu Spiralen (Helices) aufgedreht sind, welche sich ihrerseits zu Fibrillen und die Fibrillen wiederum zu Bündeln vereinigen. Die Fasern sind durch Schwefelbrücken vernetzt und erhalten so ihre Stabilität.
Farbstoffe von Tönungsmitteln müssen zudem über eine ausreichende Lichtechtheit und eine gute Abreibbeständigkeit verfügen, um nicht Kleidung und Bettwäsche zu verschmutzen. Die verwendeten Farbstoffe stammen zum Teil aus der Woll- und Textilfärbeindustrie. Sie besitzen eine ziemlich hohe relative Molekülmasse und gehören verschiedenen chemischen Klassen an. Es handelt sich bei ihnen beispielsweise um Triphenylmethan-, Anthrachinon- und Indamin-Farbstoffe.
Farbstoffklassen in Tönungen – drei Beispiele
Die in Haartönungen verwandten Farbstoffgruppen tragen zum Teil recht kompliziert anmutende Namen, doch dahinter verbergen sich interessante Hintergründe. Zur Gruppe der Triphenylmethanfarbstoffe gehören unter anderem verschiedene Indikatoren, Textil- und Lebensmittelfarbstoffe. Das Basismolekül dieser Farbstoffe ist das Triphenylmethan, das selbst farblos ist. Bestimmte Seitenketten machen diese farblose Grundsubstanz zu unterschiedlichen Farbstoffen. Dazu gehören beispielsweise Kristallviolett, Fuchsin, Malachitgrün, Methylviolett und Bromphenolblau. Triphenylmethan (Summenformel: C19H16), auch Tritan genannt, ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, bei dem drei Phenylringe an ein zentrales Kohlenstoffatom gebunden sind.
Anthrachinon- oder Alizarinfarbstoffe bilden eine Gruppe von wichtigen, vorwiegend synthetischen Beizenfarbstoffen, die beispielsweise zum Färben von Wolle verwendet werden. Sie zeichnen sich auf vielen Fasern durch große Wasch- und Lichtechtheit aus und leiten sich von den Grundstoffen Anthrachinon (Summenformel: C14H8O4) bzw. Alizarin (Summenformel: C14H8O4) ab. Alizarin ist eine natürlich vorkommende chemische Verbindung aus der Gruppe der Anthrachinone, die vor allem als Farbstoff genutzt wird. Anthrachinonderivate sind aber auch die Wirkstoffe diverser pflanzlicher Abführmittel wie Rhabarberwurzel, Faulbaumrinde, Kap-Aloe, Sennesblätter und Kreuzdornbeeren.
Indaminfarbstoffe werden im Haar wie die anderen Fertigfärbemittel durch ihre Größe und ihre Ladung fixiert. Es handelt sich dabei um synthetische, organische Farbstoffe mit einem Grundgerüst aus ringförmigen Kohlenstoffstrukturen. Die beiden Ringe der Indamine lassen sich durch eine Kohlenstoff-, Schwefel- oder Sauerstoffbrücke miteinander verbinden. Die Indamine sind für die Farbstoffchemie von besonderem Interesse. Konkrete Beispiele der Indaminfarbstoffe sind das Bindschedlers Grün oder das Malachitgrün.
Kationische (positiv geladene), direktziehende Farbstoffe wie z. B. Methylenblau werden an sauren Gruppen des Haarkeratins durch Ionenbindung festgehalten. Nicht-ionische Fertigfarbstoffe sind aufgrund ihrer geringeren Molekülgröße in der Lage, in das Haar einzudringen und so immerhin die äußeren Bereiche einzufärben. In beiden Fällen ist die Haftung allerdings nicht besonders dauerhaft und weiße Haare werden insbesondere von Naturtönen nur schlecht abgedeckt. Eine Aufhellung ist mit solchen Farbstoffen nicht möglich.
Tönungen in unterschiedlicher Formulierung
Flüssig, als Creme oder Schaum
Flüssige Tönungen werden als Lotion oder Balsam, in mehr oder minder starker Verdünnung, vor allem vom Frisör angewendet. Sie sollen der Nuancierung, Belebung oder Vertiefung der natürlichen Haarfarbe dienen. Graues Haar wird nur leicht kaschiert, kann aber ebenfalls modisch nuanciert werden, beispielsweise mit Perlgrau. Die Präparate werden nach der Haarwäsche auf das gut ausgespülte, handtuchtrockene Haar aufgetragen und nach der gewünschten Einwirkzeit wieder ausgespült.
Der Markt bietet außerdem milde Shampoo- oder Spülungsformulierungen in Creme- oder Schaumversionen an. Farbspülungen basieren auf einer Trägermasse aus kationischen Pflegestoffen. Der Vorteil der Aerosolschäume, deren Farbeffekt ebenfalls schon nach wenigen Haarwäschen wieder verschwindet, liegt in der einfachen, praktischen Anwendung. In ihrer Rezeptur weichen sie, abgesehen vom Treibgas, kaum von den dickflüssigen Tönungen ab. Sie basieren wie diese auf einer Tensidgrundlage aus nicht-ionischen, kationischen, anionischen oder amphoteren Tensiden.
Tönungsfestiger
Schwache Farbveränderungen lassen sich auch mit Tönungsfestigern erzielen. Hier legen sich die Farbpigmente von außen wie ein Film um das Haar; ein Eindringen der Farbstoffe in das Haar erfolgt nicht. Zwar ist die Farbe durch den Festigerfilm relativ abriebfest und lichtbeständig, sie wäscht sich jedoch beim Shampoonieren wieder heraus. Tönungsfestiger enthalten kationaktive Farbstoffe und werden meist als wässrig-alkoholische Lösungen angeboten. Sie eignen sich gut zum Stylen von Haaren oder zum Auffrischen der Farbe zwischen zwei Tönungen. Gleichzeitig können erste graue Haare leicht kaschiert werden. Tönungsfestiger sollen dem Naturton mehr „Tiefe“ geben und für lebhafte Reflexe sorgen.
In allen Anwendungsformen bieten die Hersteller eine Vielzahl von Farbnuancen an. Die Palette reicht von Naturtönen über Modetöne bis hin zu Grau- und Silbertönen. Mit dem Auswaschen des Festigers werden auch die Farbstoffe wieder entfernt. Danach kann diese leichte Farbveränderung je nach Wunsch beliebig oft in der gleichen Weise oder in einer anderen Nuance wiederholt werden. Die Tönungsfestiger werden nach der Haarwäsche wie ein normaler Festiger verteilt und nicht ausgespült.
Nitro-Farbstoffe
Für ausgeprägtere und länger anhaltende Farbeffekte werden überwiegend Nitro-Farbstoffe verwendet. Aufgrund ihrer geringen Größe können diese in das Haar eindringen und es, zumindest in den äußeren Bereichen, echt einfärben. Durch die fehlende Ladung kommt es jedoch zu keiner Fixierung, weder außen noch im Haar. Die Tönung wird auch hier nach und nach wieder ausgewaschen.
Nitrofarbstoffe enthalten eine oder mehrere farbverstärkende Nitrogruppen (Formel: -NO2) im Molekül. Ihre Farbpalette reicht von gelb über orange und rötlich bis blau. Beispiele für Nitrofarbstoffe aus der chemischen Industrie sind Pikrinsäure (giftig), Martiusgelb oder Nitranilinrot, die beispielsweise zum Färben von Wolle oder Baumwolle benutzt werden. Als direktziehende Farbstoffe finden toxikologisch unbedenkliche Nitrofarbstoffe heute in Haarfärbemitteln eine breite Anwendung. Durch die Kombination mehrerer verschiedenfarbiger Nitrofarbstoffe lassen sich Haare ohne die Verwendung von Oxidationsmitteln in natürlichen bis modischen Farbnuancen einfärben.
Um natürliche Haarfarben zu erzielen, werden zwei oder mehrere Farbstoffe miteinander kombiniert, z. B. ein blauer mit einem orangefarbenen Farbstoff oder ein blauer mit einem rein gelben und einem roten Nitrofarbstoff.
Je nach Bedarf stehen auch in dieser Kategorie der intensiveren Tönung flüssige, cremeförmige oder Schaumpräparate zur Verfügung. Die Anwendung der Mittel ist einfach: Die Tönung wird auf das leicht feuchte Haar aufgetragen und nach etwa 20 bis 30 Minuten abgespült. Dabei ist das Farbergebnis sofort sichtbar. Durch Nitro-Farbstoffe lassen sich auch höhere Grauanteile bis zu 30 Prozent optimal abdecken. Die Farbstoffe werden im Laufe von sechs bis acht Haarwäschen wieder entfernt, zurück bleibt die natürliche Haarfarbe. Die Vielzahl möglicher Farbnuancen reicht von Naturtönen bis zu sehr intensiven Modenuancen. Durch den Zusatz spezieller Pflegestoffe soll das Haar zudem geschmeidig werden und Glanz erhalten, bei bestmöglicher Schonung der Haarstruktur.