Bevor ein Kosmetikprodukt auf den deutschen Markt kommt, muss eine Sicherheitsbewertung durchgeführt werden. Für das Ergebnis „Produkt ist sicher“ müssen unterschiedliche Kriterien erfüllt sein, die in der Europäischen Kosmetikverordnung detailliert gefordert sind. Dabei geht es um Inhaltsstoffe und Wirkstoffe, aber auch um Nachweise zur Verträglichkeit des Fertigproduktes und die Vermeidung unerwünschter Wirkungen von kosmetischen Mitteln. Über die Umsetzung der Kosmetikverordnung hat haut.de mit Brigitta Hirschmann gesprochen.
Frau Hirschmann ist seit 1987 in der Überwachung kosmetischer Mittel tätig. Sie arbeitet am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Rheinland in NRW. Zu ihren Aufgaben gehört die Untersuchung und Beurteilung von kosmetischen Mitteln, die Überprüfung von Sicherheitsbewertungen, ausgelobten Wirkungen bzw. Werbeaussagen und die Kontrolle von Kosmetikbetrieben. Sie ist Mitglied in der GDCh-Fachgruppe Kosmetische Mittel, der BfR-Kommission für kosmetische Mittel und der AG kosmetische Mittel des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS).
haut.de: Frau Hirschmann, können sich Verbraucher bei der Verwendung kosmetischer Produkte sicher sein? Durch welche Maßnahmen ist die Unbedenklichkeit dieser Produkte sichergestellt?
Brigitta Hirschmann: Die Verbraucher können davon ausgehen, dass die Verwendung kosmetischer Mittel für sie sicher ist. Die Produkte werden auf die Einhaltung der Europäischen Kosmetikverordnung (VO (EG) Nr. 1223/2009) überprüft. Die Sicherheitsstandards und Kennzeichnungspflichten für kosmetische Mittel in der Europäischen Union sind in dieser Verordnung ausführlich beschrieben. Die Verordnung wird regelmäßig überprüft und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den verwendeten Inhaltsstoffen fließen ein. So werden zum Beispiel künftig weitere allergene Duftstoffe kennzeichnungspflichtig, um den Verbraucher vor allergischen Reaktionen zu schützen.
Bevor ein Kosmetikprodukt auf dem Markt bereitgestellt wird, muss die Verantwortliche Person (in der Regel der Hersteller des Produktes oder der Importeur in die EU) für dieses Produkt eine Sicherheitsbewertung erstellen. Das ist eine Anforderung der Europäischen Kosmetikverordnung. In der Sicherheitsbewertung muss die Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Kosmetikverordnung zwingend dokumentiert werden. Diese Produktdokumentation wird von den Überwachungsbehörden vor Ort stichprobenartig geprüft, in der Regel „anlassbezogen“. Zum Beispiel im Falle von Verbraucherbeschwerden, bei denen nach Anwendung eines Produktes Hautreaktionen aufgetreten sind, oder bei „Wirkversprechen“, die Zweifel aufkommen lassen.
Die Verordnung enthält sowohl Listen von Stoffen, die für die Herstellung von kosmetischen Mitteln verboten sind oder nur eingeschränkt verwendet werden dürfen – also Positivlisten mit Regelungen zu verschiedenen Stoffgruppen (z. B. Farbstoffe, Konservierungsstoffe).
Zurzeit gibt es 1730 Nennungen in der Liste der verbotenen Stoffe. 378 Wirkstoffe, 153 Farbstoffe, 52 Konservierungsstoffe und 34 UV-Filter unterliegen besonderen Vorschriften. Diese rechtlichen Beschränkungen basieren auf den Bewertungen des zuständigen wissenschaftlichen EU-Gremiums (Wissenschaftlicher Ausschuss Verbrauchersicherheit (Scientific Committee on Consumer Safety, SCCS)), das seine Bewertung zum Einsatz dieser Stoffe in Kosmetikprodukten je nach Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse aktualisiert. So werden zulässige Höchstmengen zu geregelten Stoffen durch dieses Gremium überarbeitet, je nach Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Die bundesweite Kontrolle durch die Überwachungsbehörden ist ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung der Sicherheit von Kosmetikprodukten. Um sicherzustellen, dass die Europäischen Kosmetikverordnung, insbesondere die geforderten Sicherheitsstandards, erfüllt wird, werden Stichproben aus dem (Online-)Handel, direkt beim Hersteller und beim Importeur entnommen und die Kennzeichnung sowie die Inhaltsstoffe auf die Einhaltung der Europäischen Kosmetikverordnung, insbesondere den geforderten Sicherheitsstandards, überprüft. Hierzu zählen dann neben den chemischen Analysen auch mikrobiologische Untersuchungen.
haut.de: Beziehen sich die Sicherheitsbewertungen eher auf wissenschaftlich-theoretische Grundsätze oder spielt „Praxisrelevanz“ dabei auch eine Rolle?
Brigitta Hirschmann: Sicherheitsbewertungen müssen sowohl wissenschaftlich-theoretische Grundsätze als auch die Praxisrelevanz berücksichtigen. Die Sicherheitsbewertung für kosmetische Mittel ist ein wichtiger Schritt, um die Unbedenklichkeit und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten. Ihr Ziel ist es, dass kosmetische Produkte ohne Bedenken verwendet werden können und für die Verbraucher keinerlei Gesundheitsrisiken darstellen – bei einer lebenslangen Benutzung. Bei der Bewertung der Sicherheit ist insbesondere zu berücksichtigen, unter welchen Bedingungen das kosmetische Mittel angewendet werden soll. Dazu gehören zum Beispiel die Einsatzkonzentrationen der einzelnen Inhaltsstoffe sowie die Anwendungsdauer, die Anwendungshäufigkeit und der Anwendungsbereich des Produktes.
Hierzu ein paar Beispiele: Eine Zahncreme kommt auch mit der Mundschleimhaut in Berührung und es ist vorhersehbar, dass auch geringe Mengen der Zahncreme verschluckt werden. Bei einer Gesichts- oder Augencreme muss berücksichtigt werden, dass die Substanzen auf der Haut verbleiben und nicht abgespült werden. Zudem spielt die angewendete Produktmenge eine Rolle bei der Beurteilung, ob ein Produkt großflächig, also auf dem gesamten Körper (Bodylotion) oder nur auf einer begrenzten Hautpartie zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel bei Augencremes.
So werden die Kriterien „vorgesehene Exposition“, „Höchstmenge“ und „Anwendungsbereich“ bei den verwendeten Inhaltsstoffen berücksichtigt. Auch Stoffe, die in ihrer reinen Form zwar ein Gefahrenpotenzial aufweisen können, wie zum Beispiel brennbare, reizende, sensibilisierende Substanzen oder Stoffe mit toxischem Potential, können durchaus in einer beschränkten Dosierung in einem kosmetischen Produkt verwendet werden, ohne dass diese Produkte damit ein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher darstellen.
Ob ein kosmetisches Mittel sicher ist oder nicht, hängt immer von der individuellen Rezeptur und der Anwendung ab und weniger von einem bestimmten Stoff mit einem bestimmten Gefahrenmerkmal – kurz gesagt: Die Dosis macht das Gift. Deshalb sollten die Verbraucher auch die auf der Verpackung und dem Beipackzettel enthaltenen Produktinformationen unbedingt berücksichtigen.
In der Sicherheitsbewertung ist auch die Mindesthaltbarkeit bzw. die Verwendungsdauer (englisch period after opening, PAO) des kosmetischen Mittels zu berücksichtigen. Die PAO gibt an, wie lange ein Kosmetikprodukt nach dem Öffnen verwendet werden kann, ohne schädlich für den Verbraucher zu sein. Diese Angaben zur Haltbarkeit müssen wie auch die Wirkversprechen durch entsprechende Tests nachgewiesen und dokumentiert sein.
haut.de: Welche Bedeutung haben die Kontrollen durch behördliche Einrichtungen für die Sicherheit von kosmetischen Produkten?
Brigitta Hirschmann: Die Kontrolle durch behördliche Einrichtungen ist für die Sicherheit kosmetischer Produkte von großer Bedeutung. Die verantwortliche Person ist für die Sicherheit kosmetischer Produkte verantwortlich. Da es kein Zulassungsverfahren für Kosmetika gibt, wie es bei Arzneimitteln vorgeschrieben ist, werden kosmetische Mittel vor ihrer Markteinführung nicht von der Behörde getestet.
Unser stichprobenartiges Überprüfungssystem hat sich bewährt, denn so erfolgt ja ein Querschnitt über alle verfügbaren Kosmetika. Weder Händler noch Hersteller werden über die „Probennahme“ im Vorfeld informiert.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung kosmetischer Mittel sind in der Europäischen Kosmetikverordnung festgelegt, die ja die wesentlichen Anforderungen und Verpflichtungen für kosmetische Produkte regelt. Insbesondere wenn neue Produkte auf dem Markt bereitgestellt oder auch neuartige Produktwirkversprechen ausgelobt werden, finden Überprüfungen statt, um den Verbraucher vor Täuschung zu schützen.
Wir gehen bei den Stichproben „risikoorientiert“ vor, wenn etwa Inhaltsstoffe aufgrund neuer Erkenntnisse in kosmetischen Mitteln verboten werden, wie etwa bestimmte allergene Duftstoffe. Die Einhaltung der neuen Regeln wird nach Ablauf der Übergangsfristen für Erzeugnisse mit einem früher zugelassenen Inhaltsstoff überprüft.
Dabei werden die Stichproben nicht nur bei den Herstellern durchgeführt, sondern auch in den Verkaufsmärkten und online genommen. Waren, die bereits längere Lagerzeiten im Handel hatten, werden so noch oft gefunden.
Hinweisen zu „individuellen Unverträglichkeiten“, die vom Verbraucher oft als „allergische Reaktion“ bezeichnet werden, gehen wir selbstverständlich nach und versuchen den Grund für die Unverträglichkeit des Produktes herauszufinden. Um die „Allergiesymptomatik“ zu klären, raten wir den Betroffenen, einen Allergologen oder Dermatologen zu konsultieren. Aufgrund der vollständigen Inhaltsstoffdeklaration auf der Verpackung von Kosmetika kann das Allergen vom Verbraucher so gezielt vermieden werden.
Auch Beschwerden von Verbrauchern, wie im Falle des Verdachts auf Fremdkörper in Kosmetika, die möglicherweise eine Gefahr von Verletzungen darstellen, wird unverzüglich nachgegangen. Wenn sich der Verdacht erhärtet, wird der Rückruf des Produkts veranlasst. Bei kosmetischen Produkten kommt das jedoch nur sehr selten vor.
haut.de: Wie häufig kommt es vor, dass kosmetische Produkte beanstandet werden?
Brigitta Hirschmann: Kosmetische Mittel werden regelmäßig beanstandet, aber die Häufigkeit variiert. Betrachtet man die bundesweite Statistik aus dem Jahr 2022, so liegt die Beanstandungsquote bei 24 %. Das bedeutet jedoch nicht, dass 24 % der auf dem Markt angebotenen Kosmetikprodukte nicht den Anforderungen der Europäischen Kosmetikverordnung entsprechen.
Die Entnahme der zu untersuchenden Kosmetika wird „risikoorientiert“ und „anlassbezogen“ durchgeführt und erfolgt in Stichproben. Aus der Perspektive der Kontrollbehörde ist dies ein äußerst positives Resultat. Betrachtet man die Beanstandungsgründe, so werden die meisten Beanstandungen aufgrund von Kennzeichnungsmängeln ausgesprochen, betreffen also die Informationen für Verbraucher auf der Verpackung und den Behältnissen.
Ein weiterer Grund zur Beanstandung besteht darin, dass die Kosmetikhersteller im Notifizierungsportal (CPNP) die notwendigen Mitteilungen nicht ordnungsgemäß angeben. Auch die Notifizierung der kosmetischen Mittel wird von den Untersuchungseinrichtungen stichprobenhaft überprüft.
Stoffliche Zusammensetzungen der Produkte sind nur in seltenen Fällen ein Beanstandungsgrund. Hier muss noch die Unterscheidung getroffen werden zwischen verbotenen Stoffen und Höchstmengenüberschreitungen bei geregelten Stoffen. Das Hauptaugenmerk unserer Kontrollen ist das Kriterium „gesundheitliche Risiken“. Hier wurden in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Beanstandungen ausgesprochen. Die Beanstandungsquote bei kosmetischen Mitteln aufgrund gesundheitlicher Bedenken liegt in der Regel bei unter einem Prozent.
haut.de: Wo sehen Sie aus Experteninnensicht zukünftig Handlungsbedarf hinsichtlich „Produktsicherheit und Verbraucheraufklärung“?
Brigitta Hirschmann: Die Europäischen Kosmetikverordnung bietet einen großen Schutz für die Verbraucher, da sie ja kontinuierlich ergänzt und aktualisiert wird.
Aus Sicht der Überwachung gibt es jedoch noch Handlungsbedarf in bestimmten Bereichen: Da ist zunächst der Online-Handel zu nennen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Einfuhr von Waren aus Drittländern, also außerhalb Europas, sind die Anforderungen an die Sicherheit von Konsumenten und Produkten – im Vergleich zu Europa – häufig nicht so differenziert ausgestaltet. Hier wird ein Bedarf für weitere Regelungen und Kontrollen gesehen. Der „Online-Einkauf“ erfreut sich großer Beliebtheit – nicht zuletzt durch den Corona-Lockdown. Produkte aus Übersee wecken oft das Interesse von Konsumenten in Deutschland. Wenn die Waren die hohen Sicherheitsanforderungen der Europäischen Kosmetikverordnung nicht erfüllen, und das ist mitunter der Fall, fehlt an dieser Stelle noch die systematische Überprüfung. Eine beim BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) eingerichtete Zentralstelle hat allerdings schon zur „Entlarvung“ unsicherer Produkte im Internethandel geführt.
Ein weiteres Thema, das mit Sorge betrachtet wird, sind die Kosmetika, die aus Sicherheitsgründen ausdrücklich nur für die „gewerbliche Anwendung“ bestimmt sind. Vermehrt sind diese Produkte mittlerweile auch den Endverbrauchern, sowohl über das Internet als auch über den stationären Handel, direkt zugänglich. Da den Verbrauchern für die Anwendung dieser Produkte häufig die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen, ist eine korrekte und sichere Anwendung nicht immer gegeben. Ohne Fachkenntnisse oder hinreichende Erfahrung angewendet, können die Produkte durchaus gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen. Aus Sicht der Überwachung ist hier weitere Verbraucheraufklärung erforderlich – nicht, weil man dem Verbraucher das „Profi-Produkt“ nicht gönnen möchte, sondern weil „Unerfahrenheit und Unkenntnis“ im Umgang mit gewerblichen Produkten ein Risikopotenzial bergen.
Ein wichtiges Thema sind zudem die vorgeschriebenen Kennzeichnungselemente auf den Verpackungen und Behältnissen kosmetischer Mittel. Die rechtlichen Anforderungen an Art und Umfang der erforderlichen Produkt-Informationen nehmen eher zu, der Platz auf den aus Gründen der Nachhaltigkeit kleiner werdenden Verpackungen nimmt dagegen deutlich ab.
So stellt sich die Frage, wie die zusätzlichen, oft sehr umfangreichen Informationen den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden können, aber gleichzeitig noch übersichtlich und lesbar sind. Können diese Informationen ggf. digital zur Verfügung gestellt werden, oder führt dies dazu, dass fehlende Warnhinweise und Informationen über Inhaltsstoffe sowie weitere Informationen nicht mehr von den Verbrauchern gelesen werden?
Vielen Dank für das Interview!
Link: Fachartikel zum Thema „Sicherheit kosmetischer Mittel“